Herzinfarktforschung

Neue Forschungsansätze zur Prävention von Herzinfarkten

Neue Forschung identifiziert genetische Risikofaktoren für Herzinfarkte und untersucht das Protein TREM2 zur Plaquestabilisierung. Ein neues Versorgungskonzept in Schleswig-Holstein zielt auf die Senkung des LDL-Cholesterinspiegels​.
Krankheiten 6 Minuten

Herzinfarkte sind weltweit eine der häufigsten Todesursachen und stellen ein bedeutendes Gesundheitsproblem dar. Die Forschung hat in den letzten Jahren bemerkenswerte Fortschritte gemacht, um neue Präventionsstrategien zu entwickeln und die Behandlung zu verbessern.

Genetische Risikofaktoren und ihre Bedeutung

Ein globales Konsortium von Wissenschaftlern, darunter Experten des Deutschen Herzzentrums München und der Universität zu Lübeck, hat in einer großangelegten Studie insgesamt 104 Genorte identifiziert, die das Risiko für Herzinfarkte signifikant erhöhen. Diese Genorte ermöglichen es, die genetischen Ursachen von Herzinfarkten besser zu verstehen. Prof. Dr. Heribert Schunkert vom Deutschen Herzzentrum München betonte die Bedeutung dieser Erkenntnisse: „Diese Arbeiten legen den Grundstein für die systemmedizinische Aufklärung der Krankheitsentstehung und ermöglichen neue Ansätze zur Prävention“.

Rolle der Makrophagen und des Proteins TREM2

Makrophagen, spezialisierte Zellen des Immunsystems, spielen eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Atherosklerose, einer Erkrankung, die zur Bildung von Plaques in den Arterien führt. Diese Plaques können die Arterien verengen oder verschließen und zu Herzinfarkten führen. Forscher der MedUni Wien und des Universitätsklinikums Würzburg haben das Protein TREM2 untersucht, das die Aktivität von Makrophagen steuert. Die Studienergebnisse zeigen, dass TREM2 eine wichtige Rolle bei der Bildung instabiler Plaques spielt, die besonders anfällig für Rupturen sind und das Risiko für Herzinfarkte erhöhen. Die Behandlung von Mäusen, die zu Atherosklerose neigen, mit einem Antikörper gegen TREM2 konnte die Bildung dieser instabilen Plaques reduzieren. Dies eröffnet neue therapeutische Ansätze zur Stabilisierung von Plaques und zur Prävention von Herzinfarkten​.

Exkurs: Die Rolle von TREM2 in der Prävention von Herzinfarkten

Was ist TREM2?

TREM2 steht für „Triggering Receptor Expressed on Myeloid Cells 2“ und ist ein Protein, das auf der Oberfläche bestimmter Immunzellen, insbesondere Makrophagen, exprimiert wird. Makrophagen sind spezialisierte Zellen des Immunsystems, die eine Schlüsselrolle in der Abwehr von Infektionen und der Entsorgung von Zelltrümmern spielen. TREM2 ist bekannt dafür, die Funktion und Aktivität dieser Zellen zu regulieren.

Funktion von TREM2

TREM2 interagiert mit anderen Molekülen auf der Zelloberfläche, um Signale zu übertragen, die das Verhalten von Makrophagen beeinflussen. Es ist bekannt, dass TREM2 die Aufnahme von Lipiden durch Makrophagen fördert, was zur Bildung von sogenannten Schaumzellen führen kann. Diese Schaumzellen sind in atherosklerotischen Plaques reichlich vorhanden, die sich in den Arterienwänden ansammeln und die Durchblutung beeinträchtigen können. Die Stabilität dieser Plaques ist entscheidend, da instabile Plaques aufbrechen und Blutgerinnsel verursachen können, die zu Herzinfarkten führen.

Forschungsergebnisse zu TREM2

Eine Studie, die von Christoph Binder und Florentina Porsch vom Klinischen Institut für Labormedizin der MedUni Wien in Zusammenarbeit mit Forschern des Universitätsklinikums Würzburg durchgeführt wurde, hat gezeigt, dass TREM2 eine wichtige Rolle bei der Bildung von instabilen Plaques spielt. Diese Art von Plaques ist besonders anfällig für Rupturen, was das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle erhöht. Die Forscher fanden heraus, dass die Blockade von TREM2 durch spezifische Antikörper in Mäusen, die zu Atherosklerose neigen, die Bildung dieser gefährlichen Plaques reduzieren konnte​.

Therapeutisches Potenzial von TREM2

Die Erkenntnisse aus der Forschung zu TREM2 haben bedeutende Implikationen für die Entwicklung neuer Therapien zur Prävention von Herzinfarkten. Durch die gezielte Modulation der TREM2-Aktivität könnten neue Behandlungsstrategien entwickelt werden, die die Stabilität atherosklerotischer Plaques erhöhen und somit das Risiko von Herzinfarkten verringern. Zudem könnte TREM2 als Biomarker dienen, um das Fortschreiten von Atherosklerose frühzeitig zu erkennen und entsprechende präventive Maßnahmen zu ergreifen.

Klinische Anwendungen und Zukunftsperspektiven

Die Forschung zu TREM2 befindet sich noch in einem relativ frühen Stadium, aber die bisherigen Ergebnisse sind vielversprechend. Zukünftige Studien werden notwendig sein, um die genaue Rolle von TREM2 in der menschlichen Atherosklerose weiter zu erforschen und mögliche therapeutische Ansätze zu testen. Sollten diese Ansätze erfolgreich sein, könnten sie einen bedeutenden Fortschritt in der Prävention und Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen darstellen.

Neues Versorgungskonzept in Schleswig-Holstein

Ein innovatives Versorgungskonzept wurde von Novartis und dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) entwickelt, um die Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verbessern. Dieses Konzept zielt darauf ab, den LDL-Cholesterinspiegel von Patienten, die bereits einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitten haben, schnell und nachhaltig zu senken. Rund 80% der Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Deutschland sind vermeidbar, und dieses regionale Netzwerk hat das Potenzial, die Nachsorge und Prävention erheblich zu verbessern. Ziel ist es, dass mehr als 95% der betroffenen Patienten ihre LDL-Cholesterin-Zielwerte erreichen​.

Präventionspotential und ökonomische Auswirkungen

Die Prävention von Herzinfarkten hat nicht nur gesundheitliche, sondern auch erhebliche wirtschaftliche Vorteile. Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachten im Jahr 2021 in der EU-27 Kosten von 282 Milliarden Euro. Eine Studie des Global Cardiovascular Risk Consortiums, die von der Universität Hamburg-Eppendorf und dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) geleitet wurde, zeigte, dass klassische Risikofaktoren wie Übergewicht, Bluthochdruck, erhöhte Cholesterinwerte, Rauchen und Diabetes mellitus weltweit mit mehr als der Hälfte aller kardiovaskulären Erkrankungen in Zusammenhang stehen. Besonders der Bluthochdruck wurde als der bedeutendste Faktor für das Auftreten von Herzinfarkten und Schlaganfällen identifiziert​.

Weitere wissenschaftliche Erkenntnisse und zukünftige Perspektiven

Die Forschung zur Prävention von Herzinfarkten hat gezeigt, dass genetische und umweltbedingte Faktoren eine wesentliche Rolle spielen. Durch die Identifizierung von Risikogenen und die Untersuchung spezifischer Proteine wie TREM2 werden neue Wege für die Behandlung und Prävention von Herzinfarkten eröffnet. Die Implementierung neuer Versorgungskonzepte und die Kontrolle klassischer Risikofaktoren könnten dazu beitragen, die Anzahl der Herzinfarkte signifikant zu reduzieren und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Fazit

Die wissenschaftliche Forschung zur Prävention von Herzinfarkten hat in den letzten Jahren bedeutende Fortschritte gemacht. Durch die Identifizierung genetischer Risikofaktoren, die Untersuchung spezifischer Proteine und die Entwicklung neuer Versorgungskonzepte besteht die Hoffnung, dass die Anzahl der Herzinfarkte in Zukunft deutlich reduziert werden kann. Weitere Studien und die Anwendung dieser Erkenntnisse in der klinischen Praxis werden entscheidend sein, um diese Fortschritte in greifbare gesundheitliche Vorteile umzuwandeln und die Belastung durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen weltweit zu verringern.

Quellen

  • Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung. (2023). Forscher identifizieren neue Risikogene für Herzinfarkt. [online] Verfügbar: https://dzhk.de/newsroom/aktuelles/news/artikel/forscher-identifizieren-neue-risikogene-fuer-herzinfarkt. [Abgerufen: 09. August 2024]
  • MedUni Wien. (2024). Neue Erkenntnisse zur Prävention von Herzinfarkt und Schlaganfall. [online] Verfügbar: https://www.meduniwien.ac.at/web/ueber-uns/news/2024/news-im-maerz-2024/neue-erkenntnisse-zur-praevention-von-herzinfarkt-und-schlaganfall/. [Abgerufen: 09. August 2024]
  • Novartis. (2024). Neues Versorgungskonzept zur Prävention von Herz-Kreislauf-Ereignissen: Novartis und das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein kooperieren beim Aufbau eines Lipid-Netzwerks. [online] Verfügbar: https://www.novartis.com/de-de/medien/pressemitteilungen/neues-versorgungskonzept-zur-praevention-von-herz-kreislauf-ereignissen-novartis-und-das-universitaetsklinikum-schleswig-holstein-kooperieren-beim-aufbau-eines-lipid-netzwerks. [Abgerufen: 09. August 2024]
  • PULS 24. (2023). Hälfte aller Herzerkrankungen durch beeinflussbare Faktoren. [online] Verfügbar: https://www.puls24.at/news/chronik/haelfte-aller-herzerkrankungen-durch-beeinflussbare-faktoren/306291. [Abgerufen: 09. August 2024]
  • KURIER. (2023). Studie: Hälfte aller Herzinfarkte und Schlaganfälle sind vermeidbar. [online] Verfügbar: https://kurier.at/wissen/gesundheit/studie-haelfte-aller-herzinfarkte-und-schlaganfaelle-sind-vermeidbar/402571862. [Abgerufen: 09. August 2024]